Oestrich-Winkel, den 04.11.2020
Regierungspräsidium Darmstadt
Obere Landesplanungsbehörde
Hilpertstraße 31
64283 Darmstadt
Stellungnahme zu den Teilflächen 2-414 und 2-414k
Zu der Offenlegung der „Weißflächen“ im Rheingau nehmen wir wie folgt Stellung:
Wir beziehen uns auf unsere Stellungnahme zu den früheren Offenlegungen und halten
sie in vollem Umfang aufrecht.
Wir erheben hiermit Einspruch gegen die Festlegung als Weißflächen im Rheingau!
Zu den einzelnen Punkten:
Instrument Weißflächen
Die Einführung des Begriffs „Weißflächen“ ist ein Signal der Unsicherheit oder
durchtriebenen taktischen Denkens. Sie verstößt auch gegen das Raumordnungsrecht,
weil eben keine einheitliche Beurteilung der Fläche vorgenommen wird, sondern der
Planungsvorsatz gesplittet wird in Festlegung der gewünschten Vorrangflächen
einerseits und etliche Einzelbeurteilungen andererseits. Das ist unzulässig.
Planziel 2% der Landesfläche
Die als Ziel formulierten 2% sind damals durch Rückrechnung des Energiebedarfs auf
der Basis der 120 m hohen Rotoren und geringer Leistung ermittelt worden. Heute sind
die Anlagen bis zu 250 m hoch und bringen eine markant größere Leistung. Folglich
müssten die 2% angepasst, d.h. verringert werden.
Die Behauptung, dass damit 98% der Landesfläche verschont blieben, ist irreführend
und falsch. Gerade in besonders empfindlichen Landschaften wie dem Rheingau
beschädigen Windräder auf 2% der Fläche natürlich 100% der Landschaft. Im Übrigen
sollte man meinen, dass Planer mit den 2% nicht gerade die kostbarsten Landschaften
beglücken, sondern dort suchen, wo schon Windräder, auch mit dem Einvernehmen der
Bewohner, vorhanden sind.
Die hier geplanten Anlagen überschreiten beträchtlich diese 2%-Marke.
Ein Verfahrensfehler liegt vor, weil mitten im Verfahren aus politischen Gründen vom
Wirtschaftsministerium Druck ausgeübt wurde und die Schutzabstände von Windrädern
zu Denkmälern willkürlich vergrößert wurden, um den erstrebten Prozentsatz zu
erreichen.
Abwägungsmängel
Das Verwaltungsrecht fordert bei der Behandlung von Einwänden gegen behördliche
Planungen intensive Abwägungen; ansonsten sind diese Planungen unwirksam. Weder
in der pauschalen Ablehnung der Bedenken in der zweiten Offenlegung des Teilplans
noch in den Ausführungen zu o.a. Weißflächen ist erkennbar, dass Planabsichten und
Einwände gegeneinander abgewogen worden sind. Mangelhafte, falsche und
disproportionale Abwägungen sind die Regel. Das hält keiner gerichtlichen Prüfung
stand.
So wird in den Ausführungen zu 2-414 der Eindruck erweckt, es handele sich um eine
weitgehend ebene Fläche. Der Kenner des Gebiets weiß, dass es ein von mehreren
Bächen und Senken gegliedertes Gelände mit seltener bachbegleitender Flora und
steilen Hängen ist, in denen Fundamente erhebliche Erdbewegungen und
Aufschüttungen mit sich brächten. Das wäre eine extreme Landschaftsverschandelung!
Unverständliche Einseitigkeiten prägen das ganze Verfahren. So wurde z.B. eine
Fläche bei Friedrichsdorf mit der Begründung „Zerstörung der Natur“ und „Gefährdung
eines Denkmals“ herausgenommen; in der ungleich wertvolleren Rheingau-Landschaft
wurden dagegen Landschaft und Denkmäler völlig ignoriert.
Landschafts- und Denkmalschutz
Der Rheingau ist mit seiner Landschaft zwischen Rhein, den Weinbergen und der
bewaldeten Höhe, frei von industrieller Verfremdung. Das ist ein in Hessen und
Deutschland sowie in ganz Europa einmaliges Gebiet mit kostbaren Naturschätzen und
einer unglaublich großen Denkmaldichte. Dichter haben vom Rheingau geschwärmt,
Künstler ihn gemalt und besungen, die Vorläufer deutscher Demokratie wie Freiligrath
und Itzstein haben ihn verherrlicht.
Durch die Windräder in Weißflächen und gesetzten Vorranggebieten würde die
Landschaft industriell entstellt und das Ensemble von Bauwerken wie z.B. Kloster
Eberbach, Schloß Johannisberg, Schloß Vollrads, Kloster Eibingen, Kurfürstliche Burg
Eltville u.v.m. empfindlich beschädigt.
Es ist völlig unverständlich, dass eine dem Naturschutz und Landschaftsschutz
verpflichtete Behörde auch nur den Gedanken hegt, in einem solchen Raum diese
Flächen auszuweisen. Das Bundesamt für Naturschutz hat in seinem Leitfaden zu
erneuerbarer Energie und Landschaftsschutz 2018 ausdrücklich auf den §1 BNatG
verwiesen, wonach Schönheit, Eigenart, Seltenheit und Erholungsbelange
beherrschende Schutzgüter sind. Planungen, die dagegen verstoßen, sind unzulässig.
Es werden Urteile hoher Gerichte aufgeführt, nach denen Windkraft in herausragenden
Landschaften im Blickfeld und in der Umgebung von wichtigen Baudenkmälern
unzulässig sind. Erwähnt wird das Gebiet um die Nürburg, die Lützelalb und das obere
Elbtal.
Ein aktuelles Urteil des VG Gießen hat Vorhaben im Bereich der Münzenburg untersagt.
Die hier vorgesehenen Flächen liegen alle im zitierten Sichtbereich von 4-5 km zu
Rheingauer Baudenkmälern.
Aus welchem Grund wird gerade in unserer einmaligen Natur- und Kulturlandschaft
vehement versucht, diesem hochempfindlichen und einmaligen Filetstück Hessens die
Seele zu nehmen?
Das Bundesamt für Naturschutz ächtet ausdrücklich die Zerschneidung, Abgrenzung
und Zergliederung gewachsener, natürlicher Landschaften durch Windparks. Auch das
Raumordnungsgesetz besagt, dass historisch gewachsene Kulturlandschaften in ihren
prägenden Merkmalen zu erhalten sind. Auch das BNatG und europäische Initiativen
sehen die Landschaft als besonderes Schutzgut an. Ohne jegliche Abwägung wird eine
Planung betrieben, die Gesetzen entgegensteht und die Rechtsprechung ignoriert.
Die Grontmij-Studie und die Einwände der Unesco wegen randlicher Beeinflussung des
Welterbes Mittelrhein zeigen, wie beherrschend Windräder auf der Höhe für die
Landschaft wären.
Wenn ein windrad-verliebtes Rheinland-Pfalz Preziosen wie Pfälzerwald und Moseltal
verschont, warum kann ein geschichtsbewusstes Hessen nicht diesem Beispiel folgen,
anstatt „ohne Rücksicht auf Verluste“ flächig den ländlichen Raum zu entwerten?!
Sinnvoll sind Vorrangflächen nur dort, wo der Nutzen den Schaden überwiegt.
Trinkwasserschutz
Die Höhen des Rheingaugebirges bestehen aus klüftigem Taunusquarzit über dichten
Tonschiefer-Horizonten. Alle Wassergewinnungsanlagen der Rheingauer Gemeinden
liegen im Quarzit oder der Übergangszone. Speziell die Fläche 2-414 enthält die
Quellen und Schürfungen der Trinkwasserversorgung von Hallgarten, Oestrich-Winkel
und per Fernleitung Presberg . Ähnlich wie bei der Hohen Wurzel wären Windräder in
der Bau- und Betriebsphase eine brisante Gefahr für das Wasser im Gestein. Bei einem
Unfall bei den Bodengrabungen für die Fundamente und später beim Betrieb der
Anlagen oder Bränden könnten unbeherrschbar Öle, Fette und Kühlmittel austreten, die
in großer Menge in den Baumaschinen und den Gondeln vorhanden sind. Der Einwand,
dass treibstofflose Maschinen zum Einsatz kämen, ist völlig unrealistisch.
Das HLNUG stellte im Verfahren Hohe Wurzel fest, dass seine Aussagen zu den hier
vorliegenden Böden im Grunde für alle Böden auf Quarzitgestein zutreffen. Für die hier
vorhandenen Tiefbrunnen und Quellschüttungen würden die Anlagen eine sehr große
Gefahr für eine Katastrophe mit sich bringen.
Artenschutz, geschützte Großvögel
Zu beiden Flächen ist auf die dort bekannten jahrelangen Beobachtungen von Experten
zu verweisen, die mit Raumnutzungsanalysen und Lebensraum-Gutachten die
Vorkommen von Schwarzstorch (3Brutpaare!), Rotmilan, Uhu, Wespenbussard, Falken
u.a. Großvögel bewiesen haben. Aber entgegen gerichtlichen Forderungen, auch die
Erkenntnisse von Fachleuten aus der Bürgerschaft und Ornithologen zu würdigen,
wurde ohne Kommentar darüber hinweggegangen und statt dessen den fragwürdigen
Gutachtern der Windstrom-Lobby Glauben geschenkt, die an wenigen Tagen von
ungeeigneten Standorten aus beobachtet haben und nichts sahen!?
Beide Flächen werden nachweislich von Schwarzstorch und Rotmilan auf dem Weg zu
ihren Nahrungshabitaten im Wald bis zu den Weinbergen und Feldern überflogen, was
auch in Fotos festgehalten ist. Rotmilane sammeln sich zudem auch oft in Pulks zum
Abflug im Herbst.
Im Text zu den Weißflächen heißt es, dass aufgrund neuer Erkenntnisse so entschieden
worden sei. Das sind eklatante Abwägungs-Fehler und blanker Hohn! Wieso werden
nicht die Erkenntnisse der jahrelangen minutiös durchgeführten Sichtungs-
Dokumentationen fachkundiger Naturkenner berücksichtigt?
Fazit
Keine einzige Vorrangfläche im Wald auf dem Kamm des Rheingaugebirges,
wenn man Europäisches, Deutsches und Hessisches Recht nicht mit Fü.en
treten will.
Gerhard Gänsler
1. Vorsitzender
Pro Kulturlandschaft Rheingau e.V.
Gemeinnütziger Verein (Steuer-Nr.: 03725050354)
Der Verein setzt sich für den Erhalt der Kulturlandschaft Rheingau ein.
Über 1.000 Mitglieder und Förderer
c/o Gerhard Gänsler, Tannenweg 4, 65375 Oestrich-Winkel
E-Mail: info@bi-pro-kulturlandschaft-rheingau.de
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